100 Jahre Radio: Das Radio und ich
Dieser Text ist im Zusammenhang zu der von mir abgehaltenen Konferenz des DIG-Karlsruhe: “Journalismus und Rundfunk, Perspektiven aus Deutschland und Italien” am 31.03.2023 in Karlsruhe entstanden.
Radio bedeutet mir viel: es ist für mich Leidenschaft, Arbeit, Freude, Freiheit und ein Medium, das die Geschichte der Menschen verändert hat.
100 Jahre Radio: so alt bin ich zwar nicht, aber seit 45 Jahren bin ich dabei. Ich war 14 als meine erste katastrophale Sendung live ging. In meiner Heimatstadt ist 1976 einer der ersten freien Radiosender in Italien entstanden, Radio Como, und ich wollte unbedingt mitmachen. Damals war ich noch in der Schule und in meiner Sendung ging es z.B. um die Rechte der Schülerinnen und Schüler, die Schulreformen und das Recht auf bezahlbare Schulbücher.
Ende der 70er Jahre war in Italien die goldene Zeit für die freien Sender: Aus jedem noch so kleinen Hinterzimmer tauchten kleine lokale Sender auf. Man konnte sie in der Regel nur in einem Umkreis von wenigen Kilometern empfangen, doch für viele war das Radio das Symbol von Freiheit und von Unabhängigkeit vom staatlichen Monopol an Informationen. Es bot zum ersten Mal eine Interaktion mit den Medien, durch die Möglichkeit während der Sendung anzurufen und von seinen Erfahrungen, Begegnungen oder Herausforderungen zu erzählen.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen bedeutenden Vertreter der freien Radiosender in Italien erwähnen, der exemplarisch aufzeigt, wie wichtig diese waren. Ich hoffe ihr kennt alle die Geschichte von Peppino Impastato. Ein linkspolitisch engagierter Sizilianer, dessen Familie überwiegend aus Mitgliedern der Mafia bestand. 1976 gründete Peppino den selbstfinanzierten Sender „Radio Aut“ und berichtete öffentlich während der Sendung „Onda pazza“ (Verrückte Welle) über die Machenschaften der regionalen Mafia. Zwei Jahre später brachte ihn die Mafia zwangsläufig mit einem Sprengstoffanschlag um.
Ich lege euch sehr den Film „Cento Passi“ (Hundert Schritte) von Marco Tullio Giordana ans Herz, der die Geschichte von Peppino Impastato wunderbar rekonstruiert.
Mit solch drastischen Erfahrungen mussten sich die deutschen Radiosender zum Glück nicht auseinandersetzten. Diese entwickeln sich ein paar Jahre später. Erst in 1984 endete die Monopolstellung der öffentlich-rechtlichen Sender und erst in Sommer 1988 wurde mit Radio Dreyecksland in Freiburg das erste deutsche freie Radio legalisiert. Es war der Beginn des dualen Rundfunksystems.
Was man mit Sicherheit feststellen kann, ist das seit meiner ersten Sendung sich unheimlich viel geändert hat. Damals hörte man seinen Lieblingssender im Küchenradio, im Auto, über die Stereoanlage oder unterwegs mit einem Transistorradio. Heute ist das klassische Radioprogramm auf vielen Wegen zu empfangen: über UKW, DeABe+ oder das Internet. Problemlos kann ich über mein Handy, Radio aus aller Welt empfangen. Man wählt sein Wunschland auf der Weltkarte aus und schon ist man Mithörer in einer Nachrichtensendung aus Johannesburg oder aus Rom.
Und natürlich wurde auch das Radio nicht von künstlicher Intelligenz verschont. Es entstehen dadurch Sender, die ohne den Eingriff eines Menschen operieren können. Die KI durchsucht dafür die Sozialen Medien und abertausende Nachrichten- und Informationsquellen, um herauszufinden, welche Themen aktuell relevant sind und im Trend liegen. Danach wird ein Skript für eine Sendung erstellt, die wiederum von authentischen KI-Stimmen eingesprochen wird. Dabei kann zwischen einer einzelnen Stimme oder sogar einem KI-Moderatoren-Duo oder -Trio gewählt werden. In Deutschland ist zum Beispiel auf der kleinen Insel Helgoland der Radiosender „The Rock“ bereits „Menschenfrei“ und wird komplett von einem Computer gesteuert. Andere Beispiele gibt es in Moment nicht. Und soweit ich weiß, experimentiert man in Italien noch und es gibt keine kompletten KI-Sendungen. Und ich würde sagen… das ist auch besser so.
Wie alles begann
Aber kehren wir nun ein paar Schritte, oder besser Hundert Schritte, zurück. Wir befinden uns in Berlin am 29. Oktober 1923, nicht weit vom Potsdamer Platz und haben unser Radio angeschaltet:
“Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin. Im Vox-Haus. Auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren! Wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig. Als erste Nummer bringen wir: Cello-Solo mit Klavierbegleitung. Andantino von Kreisler. Gespielt von Herrn Kapellmeister Otto Urack. Am Flügel: Herr Fritz Goldschmidt”.
So klang der Anfang der ersten Radiosendung in Deutschland.
Und in Italien? Ganz genau ein Jahr später, startetet auch dort die erste Sendung:
“Uri, Unione Radiofonica Italiana. 1-RO: stazione di Roma. Lunghezza d’onda metri 425. A tutti coloro che sono in ascolto il nostro saluto e il nostro buonasera. Sono le ore 21 del 6 ottobre 1924. Trasmettiamo il concerto di inaugurazione della prima stazione radiofonica italiana, per il servizio delle radio audizioni circolari. Il quartetto composto da Ines Viviani Donarelli, che vi sta parlando, Alberto Magalotti, Amedeo Fortunati e Alessandro Cicognani, eseguirà Haydn dal quartetto opera 7 primo e secondo tempo”.
In diesem Jahr hatte sich leider schon der Duce Benito Mussolini in Rom eingenistet. Er erkannte damals schon die enorme Macht des Massenmediums Radio. Jede und Jeden erreichen zu können, besonders auch Analphabeten, die zu der Zeit einen großen Teil der Bevölkerung ausmachten, nutzte er aus, um seine Propaganda an den Mann zu bringen.
Er ordnete, an in allen „Casa del Popolo o del Fascio“ (Volkshaus) ein Radio zu positionieren.
Einer ähnlichen Strategie folgt später auch Hitler. In einer Art und Weise, die auch noch effektiver war, um seine Propaganda zu verbreiten. Anfang der 30er Jahre besaßen die Deutschen schon Radio, jedoch war der hohe Preis von 200-400 Reichsmark für die meisten unbezahlbar. Bereits im August 1933 kündigt er deswegen den „Volksempfänger“ an. Mit nur 76 Reichsmark sollte sich jeder einen Apparat leisten können. Das Radio wurde damit zu einem wichtigen Standbein der Propagandamaschinerie von Goebbels.
Im Mai 1939 wurden schließlich 12 Millionen gebührenpflichtigen Rundfunkteilnehmer ermittelt.
Neben dem Preis war auch die schwache technische Ausstattung des Geräts für die Nazis hilfreich: Der Empfang von ausländischen Radiosendungen war schwierig und das Hören von so genannten “Feindsendern”, insbesondere der britischen BBC, war streng untersagt.
Ja genau die BBC…. Historisch betrachtet ist die British Broadcasting Corporation, kurz BBC die älteste Rundfunkanstalt der Welt und wurde am 18. Oktober 1922 in London gegründet. Aber das „Radio“ gab es schon früher. Im 19. und 20. Jahrhundert existierte eine Form des Radios, die sogenannte „Telefonzeitung“. Sie war ein telefonisches Verteilersystem, das Zeitungsinhalte über Telefonleitungen bereitstellte. Diese waren die ersten Ausführungen des elektronischen Rundfunks.
Einige Bespiele sind das „Teatrophone“ von 1896 aus Paris, das „Telefon Hírmondó“ von 1893 aus Budapest und der „Araldo Telefonico“ („der Telefonbote“) aus Rom, entstanden 1910.
Telefon Hírmondó“, war die am längsten betriebene Telefonzeitung. Die Zeitung bot ihren Abonnenten Nachrichten, Börsenkurse, Konzerte und Sprachkurse an. Der Dienst wurde bis in die 1920er Jahre als Zeitung weitergeführt und startete die Verbreitung über den Rundfunk im Dezember 1925.
In Rom „Araldo Telefonico“ folgte 1910 dem Beispiel aus Budapest und konnte vor dem Ersten Weltkrieg mehr als 1300 Abonnenten aufzeigen.
Aber wie macht man Radio heute, sodass es für die Zuhörer noch attraktiv ist?
Kommen wir nun vom Crashkurs Geschichte zum Heute. Das Radio Medium wurde in seiner 100-jährigen Existenz zahlreiche Male herausgefordert: Das Fernsehen, das Internet, Social Media und zuletzt die Podcasts. Wie man aber weiß, existiert das Radio noch und es bleib ein wichtiger Bestandteil der Medienlandschaft. Nicht zuletzt ist es trotzdem noch sehr beliebt. Das Radio ist ein effektives Mittel um live, schnell und spontan Informationen teilen zu können.
Mit den neuen Kompetitoren musste sich das Radio weiterentwickeln. Allein in den letzten 20 Jahren durchlief das Radio eine regelrechte Revolution. Neben den technischen Neuerungen kamen auch die inhaltlichen Änderungen.
Aus eigener Erfahrung reicht die Stimme nicht mehr. Beim WDR als auch bei der Rai, müssen wir uns mit den Sozialen Medien messen. Das ständige Ringen um Aufmerksamkeit konditioniert auch das Radio zum Audiovisuellem überzuspringen. Als Teaser zum Radiobeitrag wird ein Video produziert, dass den Zuschauer zum Zuhörer umwandeln soll.
Zu jedem Radiobeitrag gehören also nicht mehr nur die Recherche und das Aufnehmen der eigenen Stimme, sondern auch das eigene Gesicht und das technische Knowhow.
Zum Beispiel: Bei COSMO Italiano, frührer Radio Colonia, arbeite ich seit über 20 Jahren.
Damals setzte ich mich ins Studio und konnte direkt anfangen zu reden. Die Tontechniker kümmerten sich um alles.
Heute entstehen meine Beiträge nicht mehr im Studio, sondern von zu Hause in Eigenproduktion. Dabei übernehme ich alle Aufgaben des Tontechnikers und bin in jedem Schritt bis zur Veröffentlichung involviert.
Aber nicht nur! Seit 2018 habe ich auch angefangen Videos zu drehen, um ein bisher von uns nicht erschlossenes Publikum zu erreichen. Cosmo ist stark auf Facebook vertreten und viele der Zuhörer interagieren mit dem Radio fast nur auf diese Weise. Es war damit ein logischer Schritt die Leute dort zu erreichen, wo sie sind.
Ich muss aber gestehen, dass ich das klassische Radio um Weiten bevorzuge. Eine Stimme, die es ohne Bilder schafft, auch die entferntesten Dinge malen zu können und die Fantasie erwecken kann. Was zum Beispiel Hörspiele auch so spannend macht.
Doch wie geht‘s mit dem Radio weiter? Welche Rolle spielt das Radio in der digitalen Welt?
Wie schon erwähnt, erzwing die digitale Evolution der Medienlandschaft ein Umdenken, stellt Sender und Sendungen in Frage, bietet aber auch enorme Chancen für das Medium. Vergessen wir nicht, dass fast vier von fünf Deutschen jeden Tag Radio, Podcasts, Streaming Apps, oder Audiotheken nutzen.
Was ich als den vielversprechendsten Lichtstreif am Horizont sehe, ist der Podcast.
Im Podcast reden Menschen. Miteinander, übereinander, gegeneinander, pubertär, elitär, schlau, dumm, peinlich, manchmal auch sehr peinlich. Aber sie sprechen und führen das wunderbare Radio-Medium an seinen Ursprung zurück: Menschen sagen etwas und andere hören zu. Interessant ist zu beobachten, wie junge Podcaster sich so intensiv mit Geräuschen, O-Tönen und Themen beschäftigen.
Auch wenn es vielen nicht bewusst ist, erfinden die jungen Leute mit dem „Hype“ des Podcast, das Radio ein Stückchen neu.
Podcasts sind eine wunderbare Weiterentwicklung, aber auch eine Inspiration für das – man möchte fast sagen – „gute alte Dampfradio“. Den Inhalt über die Form zu stellen und in den Mittelpunkt zu rücken, ist für alle klassischen Medien letztlich die einzig denkbare Überlebensstrategie in der digitalen Welt.
Klingt banal, wird aber für das Radio der Zukunft eine enorme qualitative, finanzielle und logistische Herausforderung. Das Radio wird nicht mehr als „Nebenbei-Medium“ durchkommen.
Viele Radiosender haben sich schon angepasst und veröffentlichen ihre Sendungen als Podcasts zum Nachhören. Dadurch geht zwar der Live-Aspekt verloren, doch können die Zuhörer selbst entscheiden, wann sie sich mit dem Medium auseinandersetzten.
Um mit den Massen an Podcasts und Unterhaltungsangeboten auf den Sozialen Medien mitzuhalten, muss das Radio damit kämpfen nicht an Relevanz und Vertrauen zu verlieren. Dabei kann man schnell Gefahr laufen, als Journalist auf Fakenews reinzufallen.
Fake News
Als ich klein war hörte man als Legitimation meistens „… ich habe es im Radio gehört“ oder später dann „… ich habe es im Fernsehen gesehen“. Dies waren die Maßstäbe für die Wahrheit, die man heute leider schwer aufrechterhalten kann.
Laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, halten rund 40 Prozent der Bevölkerung Fakten inzwischen für Ansichtssache. Die Vermischung und Verwechslung von Meinung und Tatsachen ebnen den Weg für Fake News.
Wie problematisch, mitunter gefährlich Fake News sein können, erlebten wir gerade in der Corona-Pandemie. Beispielsweise als behauptet wurde, CoVID-19 sei lediglich eine harmlose Grippe, oder dass die Nebenwirkungen der Corona-Schutzimpfung gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen würden.
Ein weiterer bekannter Vertreter, der dieses Mittel erfolgreich instrumentalisiert hat, war und ist Donald Trump, während seiner Wahlkampfkampagne und Präsidentschaft.
In Bezug auf Italien schwebt mir immer noch die Migrantendebatte vor, als die LEGA mit Salvini 2018 an der Macht war und in der heutigen Regierung ist. Man las immer wieder von Fake-Invasionen mit gefälschten Fotos, verdrehten Zahlen und erfundenen Vorfällen.
In Deutschland teilte vor kurzem ein Abgeordneter der AFD ein Bild, das augenscheinlich verärgerte Migranten darstellen sollte. Man stellt aber schnell fest, dass eine Person sechs Finger hat und dass das Bild von einer KI generiert wurde.
Fake News haben längst Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung von gesellschaftlich relevanten Themen. Bewusst falsch gedeutete Fotos, Falschnachrichten, teilweise oder komplett erfundene Geschichten – eben Fake News –, gibt es schon seit Menschengedenken. Mit Hilfe des Internets und der Sozialen Medien verbreiten die sich nicht nur extrem schnell, sondern auch weltweit.
Aber muss man sich tatsächlich aufregen, über so ein paar Lügen, im Netz? Ja. Muss man. Denn die Verfasser solcher Geschichten verfolgen damit ein perfides Ziel. Ängste schüren, die Menschen mit einer Fülle von Falschaussagen zu manipulieren, Misstrauen zu streuen gegenüber den Politikern, den freien Medien und am Ende gegenüber der Demokratie.
Mit Computern, auch bekannt als „Bots“, wird die negative Stimmung und Meinung im Netz „künstlich“ durch Hetzparolen und Hasskommentaren angefeuert. Hinzu kommen die sogenannten Filterblasen. Die Algorithmen der Onlineplattformen servieren einem immer nur Artikel, Videos und Fotos, die auf den Beiträgen basieren, die man sich vielleicht für einen Moment länger angeschaut hat als sonst. Dabei wird man von andersartigen Meinungen fast komplett isoliert und oftmals in einem Strudel der Radikalisierung hineingeworfen, aus dem man oft nur schwer hinauskommt.
Wir professionelle Journalisten sind deswegen eine wichtige Instanz, um solche Unwahrheiten aufzudecken und erst gar nicht zu verbreiten. In der Schule lernte man die 5 Wehs des Journalismus (Wer, Was, Wo, Wann, Warum). Doch diese allein reichen heute nicht mehr aus, weshalb die Quelle und die Herkunft der Information, fast wichtiger ist als der Inhalt an sich. Deswegen besitzen viele Nachrichtenhäuser extra dafür, Anti-Fakenews Redaktionen, um genau dagegen vorzugehen.
Es gibt auch hilfreiche Tools, mit denen wir alle Fake-News entlarven helfen können:
- Der Faktenfinder der Tagesschau checkt viele Fake-News auf ihren Wahrheitsgehalt.
- Auf der Webseite hoaxmap.org werden Fake-News aus ganz Deutschland gesammelt.
- Die deutschsprachige Seite mimikama.at überprüft Meldungen aus der ganzen Welt auf ihren Wahrheitsgehalt.
Noch eine Bemerkung über Fake News
Wenn wir den Begriff hören, denken wir reflexartig an Facebook. Vielleicht noch an Twitter. Meistens ist dort schon Schluss. WhatsApp ist tatsächlich die neue Fake-News-Schleuder. Dabei entwickelt sich WhatsApp zunehmend zu einem wichtigen Instrument, um Falschmeldungen zu verbreiten. WhatsApp sieht völlig harmlos aus. Eine App, mit der man Nachrichten mit Freunden und Familie austauschen kann. Ist sie auch – aber eben längst nicht nur das. Da WhatsApp mittlerweile über 2 Milliarden Nutzer weltweit hat, lässt sich über WhatsApp fast jeder erreichen. Kostenlos. Unkontrolliert. WhatsApp ist damit ein ideales Instrument zur gezielten Manipulation geworden.
Während der Pandemie hat WhatsApp eine Funktion veröffentlicht, bei der Nachrichten, die sehr oft weitergeleitet wurden, speziell markierte, oder erst gar nicht versendete. Natürlich war dies nur ein kleiner Eindemmungsversuch.
Lustigerweise kommt aber die erste massenhaft verbreitete Fakenews aus dem Radio
Am 30. Oktober 1938 unterbrach eine Eilmeldung das Musikprogramm der Radiosender des CBS-Netzwerks und berichtete von Explosionen auf dem Mars und Gaswolken, die auf die Erde zusteuerten. Später wurde von einem Außerirdischen berichtet, der alles mit einem Feuerstrahl zerstört. Es handelte sich jedoch um das Hörspiel “Der Krieg der Welten” von Orson Welles, das als Reportage inszeniert wurde. Obwohl immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass es sich um Fiktion handelte, glaubten einige Hörer tatsächlich an eine Invasion von Außerirdischen.
“Wait a minute – something is happening! A humped shape is rising out of the pit. I can make out a small beam of light against a mirror. What’s that‘ There’s a jet of flame springing from that mirror, and it leaps right at the advancing men. It strikes them head on! Good Lord, they are turning into flame! Now the whole field’s caught fire. The woods…the barns…the gas tanks of automobiles…it’s spreading everywhere
“War of the Worlds” – Orson Welles 30. Oktober 1938
Es entstand dadurch eine Kettenreaktion an Meldungen über Hysterie und Massenpanik, die natürlich nicht stattfanden. Trotzdem war die Dimension des Ausmaßes zu der Zeit noch nicht dagewesen.
Am Ende dieser Konferenz möchte ich ein paar Bemerkungen über die Unterschiede im Radio in Deutschland und in Italien machen.
In Italien gibt es seit der Entstehung des Radios eine Reihe an nationalen Radiosendern, die überall in Italien empfangen werden können. Von Palermo bis Mailand kennen alle dieselbe Stimme, die ihnen die Nachrichten vorliest.
Ein Aspekt den die Alleierten in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg unbedingt vermeiden wollten. Es entstanden deshalb dezentrale regionale Sender, wie den WDR, NDR, SWR usw. (Abgesehen von privaten Sendern, versteht sich).
In Italien führten die nationalen Sender dazu, dass sogenannte „Radio Stars“ entstanden, die wirklich fast jeder kennt. Dabei wurde nicht das Gesicht der Person berühmt, sondern die Stimme und der Stil in der sie redet. Einige Beispiele der bekanntesten Radiomoderatoren sind: Renzo Arbore, Gianni Buoncompagni, und für den Sport Sandro Ciotti.
In Deutschland ist es vergleichbar mit einem Günter Jauch oder Jörk Pilawa, die jedoch im TV präsent sind.
Die zentralen Radiosender haben meiner Meinung auch nach den Vorteil, dass sie sich schneller an den Medienwandel anpassen konnten und auch ihre Beliebtheit in Italien festigen konnten. Es existiert sogar seit Dezember 2022 ein eigener TV-Kanal für den Radiosender Rai Radio 2 mit dem Namen: Viva Rai2!
Was mir noch im Unterschied zwischen den beiden Ländern auffällt, ist wie die Moderationen und die Beiträge für das Radio entstehen. Als ich noch in Italien und auch zeitweise für das Schweizer Radio RSI in Italienischer Sprache als Journalistin arbeitete, war der Ablauf simpel und spontan geprägt: Ich suchte mir die Themen für meine Sendung aus, arbeitete ein paar Stichpunkte aus und setzte mich vors Mikrofon.
Nachdem ich nach Deutschland gezogen bin, war ich zuerst verwundert. Ich kann zwar nur von meinen Erfahrungen vom WDR reden, aber hier muss ich im Vorhinein ein komplettes Skript ausarbeiten und beim berichten Wort für Wort ablesen.
Ich verspürte deswegen eine starke Sehnsucht nach Freiheit am Mikrofon, mit einer eigenen Sendung. Zwischen 2005 und 2010 führte ich meine eigene Sendung „Buonasera Italia“ bei Antenne Düsseldorf.
Das heißt nicht, dass man in Deutschland stehenbleibt. In den letzten Jahren merkte man wie auch hier die Spontanität der Sendungen zunahmen und auch unterhaltsamer wurden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Radio in Zukunft noch erfolgreich bleibt und ein bedeutendes Mittel, um Informationen zu erhalten. Nicht zuletzt mag ich es, einfach mal die Augen zuzumachen und meine Vorstellungskraft anzuwerfen.
Quellen
https://www.amusingplanet.com/2019/06/telefon-hirmondo-telephone-newspaper.html